Wir schaffen Vorsorge um gegen Risiken gewappnet zu sein.
In der Regel schauen wir bei der Befassung mit dem Haushalt nach vorne. Vielleicht lohnt auch mal ein kurzer Blick in den Rückspiegel.
Sehr geehrter Herr Landrat,
Sehr geehrter Herr Dr. Koch,
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Rede zum Haushalt 2023 beginne ich mit zwei Kennzahlen: rund 3,5 Kilogramm und 8 cm. 3,5 Kilogramm schwer und acht Zentimeter hoch, das sind die Ausmaße des gebundenen Haushaltsexemplares. Ein „Exemplar“ im originären Sinne des Wortes und seiner Bedeutung. Ein Einzelstück, in dessen Tabellen, Texten und Abbildungen unglaubliches Wissen,Konzentration, Arbeit und angesichts der labilen Rahmenumstände auch Mut stecken. Deshalb, an erster Stelle meiner Rede, danke ich allen Beteiligten herzlich, die bei dessen Erstellung beteiligt waren und ich denke, dass ich dies auch in Ihrer aller Namen machen darf.
Ebenso herzlich bedanke ich mich bei den Mitgliedern des Ausschusses für Finanzen, Wirtschaft und Infrastruktur für die stets guten und sachlichen Diskussionen und die angenehme Arbeitsatmosphäre sowie den Damen des Kreistagsbüros für die stets perfekte Vor- und Nachbereitung der Sitzungen.
Inhaltlich ist zum Haushalt in den vergangenen Monaten und auch heute so gut wie alles gesagt. Ich möchte deshalb nur wenige Punkte herausstellen, die mir wichtig erscheinen.
Das Haushaltsvolumen beträgt 603 Millionen Euro, rund 70 Millionen mehr als 2022. Die Verwaltung ist damit in die Lage, ihren pflichtigen als auch ihren freiwilligen Aufgaben nachzukommen. Das planerische Defizit von 7,5 Millionen liegt bei 1,3% und ist zu vernachlässigen, schon allein deshalb, weil es wie immer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird.
Das Haushaltsvolumen hat sich in den letzten 11 Jahren ziemlich genau verdoppelt. Im Schnitt betrachtet sind also jedes Jahr etwas unter 10% draufgekommen, auch wenn in einigen Jahren, so wie in diesem, erhebliche Sprünge zu verzeichnen sind. Die Inflationsrate lag, ebenfalls im Durchschnitt, bei rund 2,4%. Die Differenz der Werte zeigt, dass die Entwicklung unseres Haushaltes ganz und gar nicht daran liegt, das es „eben alles teurer“ wird.
Die Mittelfristplanung bis 2026 wird durch drei wesentliche Faktoren bestimmt: Die Rücklage schmilzt, zwar nicht dramatisch, aber kontinuierlich. Dramatisch hingegen schmilzt die Liquidität von 90 Millionen 2023 auf 10 Millionen in 2026. Hinzu tritt Faktor 3: eine potenzielle Kreditaufnahme in Höhe von 63 Millionen in den Jahren 2025 und 2026. Gleichwohl: Das allesist für sich genommen noch nicht besorgniserregend. Trotzdem glaube ich, dass es gut wäre, wenn wir diese Tendenz einerseits nach oben und andererseits nach unten fest im Augen behalten.
Der Planung liegen Umstände und Annahmen zugrunde, die von uns beeinflussbar sind oder auch nicht. Die zweite Kategorie, wir können sie auch Risiken nennen,bspw. Inflation, Tarifentwicklungen aller Art, Entwicklung der Zuwanderung, Wirtschaftsabschwung blenden wir an dieser Stelle mal aus. Diese Unwägbarkeiten sind zwar haushalterisch brandgefährlich. Hier können wir jedoch so gut wie nichts machen, wir halten die notwendigen Stellschrauben nicht in unseren Händen.Wir können nur Vorsorge schaffen, dass wir gut gewappnet sind, wenn uns ein oder mehrere Risiken gleichzeitig ereilen sollten.
Anders sieht es bei der ersten, der beeinflussbaren Kategorie aus. Hier müssen wir uns überlegen, wie wir zukünftig damit umgehen. Ich glaube nämlich nicht daran, dass der althergebrachte Gedanke, die öffentliche Hand hat schlicht und ergreifend Geld zu haben, bis in alle Zukunft trägt.
Der mathematische Ansatz Differenzausgleich durch Kreisumlage wird bei steigendem Finanzbedarf m.E. nicht helfen. In diesem Jahr können wir sie noch fast stabil halten, mittelfristig ist von 41,5% die Rede. An dieser Stelle gibt es bei den Kommunen bereits erheblichen Unmut. Weitere und deutlichere Steigerungen sehe ich aus heutiger Sicht nicht. Denn auch unsere Kommunen stehen über die tägliche Daseinsvorsorge hinaus vor kaum stemmbaren Herausforderungen in der Zukunft. Ich nenne hier nur die energetischen Sanierungsvorstellungen der EU im Programm „Fit for 55“. Auf die nationale Gesetzgebung will ich erst gar nicht eingehen.
Viele der Investitionsprojekte der Mittelfristplanung sind schon angeschoben, alle sind richtig und wichtig. Dem Grunde nach. Bei der Ausgestaltung müssen wir uns die Frage stellen, ob Platin- und Goldstandard immernotwendig ist oder ob es Silber und Bronze nicht auch tut, solange die Mittel- Zweck- Relation gegeben ist. Auch bei angedachten Projekten müssen wir uns fragen, ob wir damit erreichen, was wir erreichen wollen, oder ob wir Chimären, Klientel, Zeitgeist und Ideologiehinterherlaufen. Zu hinterfragen sind die freiwilligen Leistungen, bei denen wir uns über die Jahre an ein Goldniveau gewöhnt haben. Für alles gilt: Im Dienst der vermeintlich guten Sache dürfen wir nicht das Augenmaß verlieren.
Deshalb sollten wir alle, Verwaltung und Kreistag, die beginnenden Arbeiten am Doppelhaushalt 2024/2025 nutzen, um in uns zu gehen. Welches Projekt kann abgespeckt werden, welcher liebgewordener Zopf kannabgeschnitten oder zumindest gekürzt werden, welcher Wunsch kann geschoben werden oder bleibt gar unerfüllt. Diese Fragen müssen wir uns stellen und Antworten finden, auch wenn das an der einen oder anderen Stelle wehtut.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Haushaltskarawane zieht weiter. Ich wünsche uns allen, dass wir auf unseren zukünftigen Reisen trotz allen Entwicklungen, auf die wir keinen Einfluss haben, mehr grüne Oasen als flirrende Sand-, Stein- und Geröllwüsten durchqueren. Dabei wird uns das erforderliche Augenmaß ein guter Reiseführer sein.